Valle del vanoi
Ich bin seeeehr gegen die Zeitverschiebung!
Ich bin für die fixe "Sommerzeit"
Schon mal im Hochgebirge in Zeitnot geraten? Die Dämmerung droht, der Pfad vor mir geht von Bergrücken zu Bergrücken. Zurück gehen ist nicht aussichtsreich; voran jedoch geht's fast ständig bergauf (schiebend) - dann ein wenig runter (Hoffnung) - dann wieder bergauf usw. usw.
Und es geht quälend langsam voran, das Schieben zehrt an meinen Kräften. Immer wieder muss ich mit pfeifendem Atem stehen bleiben. Der Buckel ist vielleicht vierzig Meter hoch. Ich zerre und schiebe das Bike den Hang hinauf. Zehn Meter sind geschafft, stehen bleiben, Kraft sammeln. Weiter stoßen und zerren. Meine Tritte setze ich sehr sorgfältig, ich darf nicht ausrutschen, darf mich nicht verletzen. Einmal kann ich rechts unten, tief unten, den Lago di Calaita sehen, dort war ich vorhin. Dort unten in der Ebene auf Höhe des Lago di Calaita führt ein Natursteinweg vom See weg. Dort konnte ich fahren, konnte hören wie die Federung die derben Stöße der Steinquader abfederte. Ich kam gut voran. Aber nun, hier oben, sehe ich mich immer noch auf gleicher Position mit Blick auf den See.
Im schwächer werdenden Tageslicht halte ich Beratung mit der Karte auf dem iPhone. Tja, es gibt keine Abkürzung. Linkerhand eine tausend Meter tiefe Wand, rechterhand ein eher gefährlich steiler, von Grasflächen geschönter Wald. Also weiter voraus, ähm bergauf!
Oh - hätte ich doch an die blöde Zeitverschiebung am vergangenen Sonntag gedacht. Hätte ich doch zuhause die tolle starke Stirnlampe eingepackt!!! Sorry, bin nicht so weitsichtig, und nachtsichtig bin ich auch nicht. Also fehlen mir jetzt diese 60 Minuten. Und sie fehlen mir immer mehr...
Zuletzt war es noch 15:55 Uhr und ich habe heftig mit mir über den weiteren Weg gerungen. Nun ist es 16:20 Uhr. Immer noch usw.
Hatte ich nicht irgendwo gelesen, daß der Tag so um 17:20 ins Dunkel übergeht? Ich bin im Unklaren, stimmt das? Wo steht das? Selbst wenn, ich bin auf 1750 Meter Höhe über dem Valle del Vanoi. Ich kann links unten das schöne Städtchen Primiero sehen. Aber die Menschen da unten sehen mich nicht. Und sie können mir auch nicht helfen.
Wenn mir jetzt etwas passiert, wenn ich zum Beispiel auf diesem blöden Anstieg zum vielleicht fünfzehnten Buckel nur ein wenig ausrutsche, käme dann ein Sanka? Zunächst mal die Frage, wüßte ich am Telefon meine Koordinaten zu sagen? Wo stehen denn die eigentlich in meinem iPhone? Klappt das Telefon eigentlich hier oben? Schwer zu sagen. Müßte man mal ausprobieren. Wäre dann die 144 die richtige Telefonnummer? Oh-Mann-oh-Mann, können die Gedanken nicht mal aufhören, mir ständig Fragen zu stellen. Vor allem so viele Fragen, zu denen ich keine Antwort weiß. Sollte ich aber wissen! Weiß ich aber jetzt nicht!
Wieviel Licht gibt der späte Nachmittag eigentlich noch her? Erstaunlich, wie viel ich immer noch sehen kann und wie nur unmerklich das Licht weniger wird. Aber bleibt das so langsam oder endet das Tageslicht zum Schluß ganz scheußlich schnell? Wieder so eine Frage! Wieder macht es mich noch unsicherer.
Was tun? Ja - was nun? Jedesmal wenn ich einen Buckel überquere, durchströmt mich die ultimative Hoffnung, nein, die Gewißheit, daß es von jetzt weg nur noch bergab geht. Ah, der schöne Downhill, wird der jetzt schön... Aber es geht anders. Ein paar Meter im Wald geradeaus, fünf oder fünfzehn Meter kann ich sogar fahren. Das endet beim sechszehnten Anstieg. Wieder nichts mit dem Downhill!
Wie stehen die Dinge mittlerweile? Nun, mittlerweile ist es 16:55 Uhr, jetzt wird es knapp, im Wald wird es dunkel. Ein wenig hilfreich sind noch kleinere Baumlücken, da kommt noch ordentlich Licht auf den Boden. Aber ansonsten kann ich nicht mehr jede Wurzel sicher erkennen.
Bahhhh! Wer es glaubt. Das war - wirklich - der letzte Hügel auf diesem sich schier endlosen hinziehenden Bergrücken, der aus lauter sich aneinander reihenden Buckeln besteht. Oder täusche ich mich nur selber? Auf jeden Fall gibt es jetzt prima Fotolicht, ich schieße dieses Foto um 16:58 (siehe oben). Bin immer noch auf 1700 Meter. Sehr hoch über über meinem B&B, der Baita del Capitano von Sonia und Massimo, die auf 983 Meter Seehöhe liegt.
Juchheee! Es geht endlich bergab. Wowhhh! Sehr schön, wirklich.
Na ja, das war aber ein ziemlicher Rumser, den Wurzelabsatz hatte ich nicht so tief eingeschätzt. Und wieder federn meine 29-Zoll-Reifen mit den super tubeless Niederdruckgummis einige derbe Schläge weg. Vorteilhaft das Luki-Trail-Training, da bleibt man locker und freut sich wie der Downhill funktioniert.
Mit dem wirklich letzten Licht komme ich zur Straße. Die letzten drei Kilometer im Wald bin ich so manchen Absatz runter, den ich bei Sicht vielleicht gemieden hätte. Auf der Straße geht es gottlob nur noch runter, ich habe wirklich viel Kraft und Spannung in den Beinen und hab das auf die Pedale gedrückt. So einige Serpentinen liegen noch vor mir. Dazwischen geht das Tempo nochmal echt hoch so bis auf 55 km/h (hab' gerade bei 2peak nachgeschaut). Und dann die letzten vierhundert Meter. Links hoch auf die kleine Zufahrtsstraße, von dieser Seite zwar noch nie angefahren, aber laut komoot-Karte sollte es so richtig sein. Jaaaa! Da glimmt im Finstern die Front meines schönen, herrlichen Passat. Es ist doch schön, so etwas Vertrautes wieder zu sehen.
Ein sehr herzhafter Jauchzer!!!
___________
ps
Ich bin für die dauerhafte Einführung der Sommerzeit!
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Wie halte ich es mit Risiken
Nach meiner festen Überzeugung gibt es auf die Fragen (siehe oben im Text) nur eine richtige Antwort.
Das Leben ist voller Risiken, man kann sie nicht wegwischen, man kann nur lernen, mit diesen Risiken angemessen umzugehen.
Schon im Kleinkindalter muss man dem Kind zeigen, dass ein Herd und ein Topf heiß sein können. Die Eltern müssen das Kind heranführen an eine kindgerechte Schere, müssen es trainieren, scharfe Messer zunächst (in Griffweite) liegen zu lassen. Schritt für Schritt sind die vielfältigen Risiken zu zeigen, das angemessene Verhalten zu üben. Das Kind muss den Eltern vertrauen, die Eltern müssen dem Kind trauen. Sie müssen ihm auch viel zutrauen.
Warum nicht mit drei oder vier Jahren gemeinsam auf einen echt hohen Baum klettern? Dabei dem Kind jeden Handgriff, jede Pause, jedes Risiko zeigen. Warum nicht ein Zweijähriges auf ein Reitpferd setzen und damit herumgehen? Die Eltern müssen so nahe an ein Risiko herangehen, daß sie tatsächlich ein wenig bangen. Das Kind muss spüren, daß die Eltern keine Theaterstücke aufführen, sondern echtes, nachfühlbares Risiko. Nur dann akzeptiert das Kind die Lektion. Nur dann wird das Kind Risiken korrekt einschätzen und selbständig handeln lernen.
Selbst und ständig - das ist meine Leitformel.
Nach meiner festen Überzeugung wäre es eine Selbsttäuschung, einem Risiko (etwa einer Hochgebirgswanderung) mit dem Verweis auf einen Kameraden, auf eine Fremdhilfe zu begegnen. Was soll der Kamerad denn eigentlich machen? Soll er mich verbinden, soll er für mich telefonieren, soll er mich tragen? Hast Du vor einer Wanderung schon einmal nachgefragt, ob der Freund einen Verband anlegen kann, ob auch er weiß daß es im Gebirge kaum eine Handyverbindung gibt. Und von der Stelle schleppen wird er dich auf keinen Fall können.
Selbst handeln heißt Vorsorge treffen, bei jeder Wanderung große Pflaster, eine Mullbinde, Desinfektionsspray, eine Schere, Ibuprofen 600 und eine Goldfolie mitzutragen. Vorsorge verlangt mindestens eine Wiederholung des 1-tägigen Erste-Hilfe-Kurses alle fünf Jahre für jeden.
Wahrscheinlich sind folgende Dinge zur Risikoreduzierung völlig wirkungslos:
- ein Handy (weil kein Netz, weil Batterie leer...)
- eine Notrufnummer (weil der Sanka bzw. Hubschrauber vielleicht nicht oder zumindest sehr spät kommen).
Viel schlimmer, solche Sachen wiegen den Wanderer in trügerischer Sicherheit und verleiten ihn vielleicht sogar zu ungestüm gefährlichen Verhaltensweisen.
Was du nicht selber tun kannst, lass sein!
Vertrau nicht darauf, daß dir Andere schon raushelfen werden.
Wandern, biken, skifahren by fair means!
Was du mit eigener Kraft (ohne Elektroantrieb) schaffst, führt zu viel intensiverem Erleben und sichert dir echte Befriedigung.
Zwei selber geplante und selber erstrampelte Bike-Touren im Valle del Vanoi
Klicke auf ein Diagramm
=> Links zu den beiden gemachten Touren, dokumentiert mit komoot.
1) Tour zum lago di calaita
2) Tour zur Pale di san martino
Der Zeitverlauf im abgebildeten Diagramm geht von 1:30 bis 3:30, also über zwei Stunden.
Davon war ich für eine Dauer von 1:20 Stunden (von 1:30 bis 2:50) in Höhen über 1600 Meter.
Diese Strecke in der Region über 1600 Meter Höhe umfaßt km 8 bis 17, also rund 9 km .
Für 9 km langes Schieben, Zerren, Tragen und Kurzstreckenfahren habe ich 1:20 Stunde gebraucht. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit war demnach 6,7 Km/h.
Meine Belastung schwankt bei dieser Kammwanderung sehr stark, der Puls wird rund 19-mal von 115 (GA1) auf über 138
(EB) getrieben. Das ist bei dieser Tour in besonderer Weise verursacht durch mein mangelndes Kartenstudium und den dadurch bedingten Zeitstress. Ich hatte soviel Schiss vor dem Dunkelwerden, dass ich dem eiligen Vorankommen alles andere untergeordnet hatte. Auch an meine Gesundheit habe ich nicht gedacht, habe Nase und Mund nicht mit einem Buff bedeckt und die kalte Luft ungehindert reingezogen.
Die Quittung kriege ich zwei Tage später, einen unschönen Katarrh.
In insgesamt netto 3:11 Stunden und 26 km mit 1222 m Steigung habe ich 2272 Kalorien verbrannt. Ein Durchschnittspuls von 118 bedeutet bei der ungleichen Verteilung (bergauf bis zum See war alles easy, danach begann der Stress) eine ziemlich hohe Anstrengung. Der maximale Puls war 145.
Eine Wiederholung dieser Tour ist sehr empfehlenswert!
Die Tour ist jedoch nach starken Regenfällen und bei Schneeschmelze nicht fahrbar, weil man dreimal riesige Bachbetten durchquert. Wir hatten Glück und fanden die Bachbetten völlig trocken vor.
Bei dieser wunderschönen Rundtour in Begleitung von Stefan war mein Durchschnittspuls 109, ein üblicher Wert im GA1-Bereich.
Wir haben eine angenehme, schattige und gleichmäßige Rampe erlebt (die Variante rechter Hand von unserem Track soll sehr viel giftiger sein). Von Primiero (750 m) bis zum Panoramaweg auf 1500 m haben wir rund 1:30 gebraucht. Das war eine Steigleistung von 500 m/Std., es bedeutet für mich eine gute, übliche Leistung (zumal ich seit drei Monaten nicht mehr regelmäßig trainiere).
Das Highlight ist die gut zwei km lange Panoramastrecke durch lichten Buchenwald mit Durchquerung von drei spektakulären Flußbetten. Danach gelangt man auf Almgelände und kurvt teils flowig abwärts. Es gibt dazu auch immer wieder schmackhafte Würze, sprich klunkersteinige Trails. So hat das Bikerherz von allem etwas und in Summe eine sehr reiche Ernte.
Die gesamte Strecke ist ohne Stress fahrbar und macht riesigen Spaß.
Netto 2:17 Std., 21 km, 1423 Kalorien, 955 m Aufstieg, maximaler Puls 137.
stefan (Freitag, 04 November 2016 09:11)
Sehr spannend, zumindest deine Erzählung--))
Emu (Freitag, 04 November 2016 15:45)
Super schön!
Sigi (Freitag, 04 November 2016 20:50)
Gut geschrieben und gut zu lesen, wenn man gemütlich im Warmen und Hellen sitzt.
Wir können es aber trotzdem nachempfinden.
Rüdiger (Sonntag, 06 November 2016 12:28)
Tour traumhaft -wäre gerne selbst dabeigewesen. Techn. Angaben interessant.